Kaiser Wilhelms 900 Pferde
Von Manfred Scholz
Dieser wirklich schöne Artikel über die "Guthofszeit" und die "Remontezeit" von Manfred Scholz erschien am 30.04.2011 in der Segeberger Zeitung:
Da der eingescannte Zeitungsartikeltext schlecht zu lesen ist, folgt der vollständige Text nochmals:
Einige Häuser erinnern noch an Kaiser Wilhelms 900 Pferde
In Hardebek war ein „Remonte-Depot“ für die kaiserlichen Truppen - Mehrere Gebäude sind erhalten geblieben.
Hardebek. Ein kleines Dorf im nordwestlichen Zipfel des Kreises Segeberg: Fast vergessen ist, dass Hardebek zu Zeiten von Kaiser Wilhelm II. im gesamten Kaiserreich ein weithin bekannter Name war. Im Dorf war ab 1897 ein Königlich-Preußisches Remonte-Depot stationiert. Im Gestüt mit 900 Pferden wurden Remonten (französisch: Ersatzpferd) für den Diensteinsatz im kaiserlichen Heer ausgebildet. Pächter des Depots war das Reichskriegsministerium in Berlin. Im 500-Einwohner-Dorf erinnern noch ein paar erhaltene Gebäude an diese Zeit.
Von Manfred Scholz
Zu Kaiser Wilhelms besaß der Adel im Deutschen Reich Macht, Einfluss und Besitz. Inhaber des Hofes Hardebek war seit 1880 Anton Karl Ernst von
Oertzen. Dem Oberforstmeister aus dem Mecklenburgischen gelang es jedoch nicht, das Gut in die Gewinnzone zu führen. Drei Hypotheken von 188000 Reichsmark lasteten auf dem Hof. Zudem hatte von
Oertzen die Bürgschaft eines Freundes von 30000 Talern übernehmen müssen. Völlig überschuldet, bat Oertzen seine Gattin Bertha Luise Elisabeth um Hilfe. Als Hofdame verkehrte sie im Berliner
Schloss in den höchsten Kreisen. Sie schaffte es, die königlich-preußische Hofkammer für die Immobilie zu interessieren. Sie muss eine Überredungskünstlerin gewesen sein, denn ihr gelang es, den
Hof in Hardebek an die Hofkammer zu verkaufen. 1897 wechselte das Gut mit 946 Hektar Land den Besitzer, inklusive „allem totem und lebendigen Wirtschaftsinventar wie es im Kaufvertrag Kaufpreis:
280 000 Reichsmark. Wenig später übernahm das Reichskriegsministerium als Pächter das gesamte Areal. Das kaiserliche Heer unterhielt damals rund 100 000 Pferde, deshalb war der Bedarf an jungen
Tieren enorm. Der Nachwuchs wurde so genannten Remonte-Depots zum Einsatz bei der Artillerie oder der Kavallerie ausgebildet. Verteilt waren diese Depots überall im Kaiserreich. Hardebek das
damals zur Provinz Preußen gehörte, wurde ab Herbst 1897 Depot-Standort. Er blieb der einzige im heutigen Schleswig-Holstein. Im Dorf ließ die Militärverwaltung keinen Stein auf den anderen. In
kurzer wurden Remonteställe für 200, 80, und 60 Pferde hochgezogen. Hinter größten Stall gab es eine Art Arena, in der die Remonten ihr Laufpensum zu absolvieren hatten, Drei Kilometer östlich
von Hardebek bauten die neuen Herren einen weiteren Stall für 80 Pferde waren damals im Depot und einen Unterstand für 60 Pferde. Unterkünfte für die Arbeiter entstanden sowie Häuser für den
Rossarzt und den Verwaltungsbeamten. Mehrere dieser Gebäude im Dorf werden heute noch bewohnt. Zusätzlich entstand eine befestigte Chaussee zum nahen Bahnhof in Brokstedt. Dort wurden zum Abtransport der Pferde Rampen aufgeschüttet. Über den Dienstbetrieb in Hardebek musste ein Oberamtmann aus Hardebek regelmäßig in Berlin
Bericht abstatten. Zweimal im Jahr kam Geheimrat von Tippelkirchen aus dem Ministerium zwecks Inspektion ins Depot. „Er war von großer Güte aber auch von besonderer Strenge“, ließ sich der
ehemalige Hardebeker Johannes Fock vor Jahrzehnten von damaligen Remonte-Arbeitern den adligen Kontrolleur schildern. Bei jedem Arbeiter kehrte er ein und fragte sie nach ihren Wünschen und
Sorgen. Hatte der Geheimrat Mängel registriert, wurden sie sofort abgestellt. Rund 200 Bedienstete waren damals im Depot und auf dem Gut beschäftigt. Tagelöhner aus dem benachbarten Wiemersdorf,
Erntehelfer aus Polen, Gespannführer Futtermeister und Schmiede hatten lange Arbeitstage. Uniform trugen allein die Remontewärter, die sich ausschließlich um die Pferde kümmerten.
Höhepunkt des Jahres war traditionsgemäß die Auslieferung der Remonten an das Heer. Dann kamen Mai 200 Soldaten verschiedener Waffengattungen nach Hardebek, um die Vierbeiner in Empfang zu
nehmen. Höhere Offiziere in Galauniform führten die Pferde zum Bahnhof nach Brokstedt. „Es war jedes Mal ein farbenfroher Auftritt der jedem alten Hardebeker unvergesslich geblieben ist“.
zitierte der Heimatchronist Fock längst verstorbene Zeitzeugen. Beim Abschied der Vierbeiner erhielt Futtermeister Eigner, ein langgedienter Schwarzer Husar im Rangeines Wachmeisters, viel Lob
für die Qualität der Remonten, wie Fock notierte. Als der Erste Weltkrieg 1918 zu Ende war, war es auch das schöne Schauspiel in Hardebek unwiderruflich Historie. Die verbliebenen Pferde wurden
versteigert jahrelang stand das weitläufige Depot leer. Im November 1921 löste das Reichsschatzministerium als Rechtsnachfolgerin des einstigen Kriegsministeriums den Pachtvertrag in Hardebek
auf. Die Königliche Hofkammer verkaufte den gesamten Besitz an die Schleswig-Holsteinische Höfebank. Die Banker von damals teilten das weitläufige Areal in Siedlungshöfe auf und verpachteten den
Grund und Boden.
Wenig spektakulär endete auch die Ara des einstmaligen Gutsbesitzers Anton Karl Ernst von Oertzen. Der Verkauf des Hofes reichte, um seine Schulden zu begleichen. Vom Rest musste der verarmte
Adlige noch die Ehrenschuld seines Freundes begleichen. Grollend zog sich der gescheiterte Oberforstmeister in seine Heimat Mecklenburg zurück.